Zusammenarbeit klingt oft einfacher, als sie ist. Unterschiedliche Persönlichkeiten, unklare Rollen, unausgesprochene Erwartungen. Das alles kann ein Team lähmen oder zu einem echten Kraftfeld machen. In diesem Artikel geht es darum, was gute Teamarbeit wirklich ausmacht: wie Teams sich entwickeln, welche Rolle Führung spielt und warum Rollenbewusstsein der Schlüssel sein kann. Wir sprechen häufig über bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Teamarbeit und Kooperation, die durch die gestiegenen Anforderungen das Marktes und der damit einhergehenden Dynamik die Innovationsfähigkeit fördert. Man verspricht sich davon eine höhere Produktivität, bessere Ergebnisse und schnelle Fortschritte.

Was Teamarbeit ausmacht – und was nicht
Ein Team ist mehr als eine Gruppe von Menschen, die an denselben Themen arbeiten. Es braucht ein gemeinsames Ziel, Klarheit über Aufgaben und Rollen, funktionierende Kommunikation und Menschen, die einander ergänzen.
Fünf Voraussetzungen für echte Teamarbeit:
- Eindeutige Ziele: Nur wenn allen klar ist, wohin die Reise gehen soll, können sie in die gleiche Richtung arbeiten.
- Aufgabenverteilung: Jeder sollte wissen, was sein Beitrag zur Aufgabe ist. Und was die Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Kollegen sind.
- Führung: Erfolgreiche Führung wird in agileren Organisationen mehr im Sinne eines Scrum Masters verstanden. Dieser kümmert sich um die Abläufe im Team und regelt das Miteinander. Er kümmert sich um die Prozesse und, dass Störungen von außen für das Team minimiert werden. Daneben gibt es im agilen Umfeld zusätzlich die Rolle des Product Owners, der den Inhalt der Arbeitsaufgaben und die Ergebnisse der Arbeit im Blick hat.
- Kontinuierliche Kommunikation: Damit alle Teammitglieder über die Tätigkeiten der anderen informiert sind, ist eine funktionierende Kommunikation das A und O. Transparenz und kontinuierlicher Dialog halten alles zusammen.
- Unterschiedliche Charaktere: Für neue Ideen braucht ein Team unterschiedliche Persönlichkeiten. Die Reibungspunkte sind zwar höher, die Ideen aber auch besser.
Wichtig: Teamarbeit heißt nicht, dass alle alles gemeinsam machen. Es geht vielmehr darum, gemeinsam zu planen, aber gegebenenfalls einzeln zu handeln. Auch wer als Spezialist allein an einer Teilaufgabe sitzt muss wissen, welchen Beitrag er mit seiner Arbeit zur gemeinsamen Zielerfüllung leistet
Teamentwicklung braucht Zeit – und Reibung
„Wir mussten uns erst zusammenraufen.“ D.h. Teams sind nicht per se oder von Anfang an leistungsfähig. Sie durchlaufen verschiedene Entwicklungsstufen. Bruce Tuckmann ein US-amerikanischer Psychologe, entwickelte 1965 ein Phasenmodell für die Teamentwicklung. Er geht davon aus, dass Teams bewusst oder unbewusst diese Phasen durchlaufen und zwar nicht zwangläufig eine nach der anderen – Stagnation und Rückfälle sind möglich. Die Phasen können sich teilweise auch überlappen oder sogar parallel verlaufen. Auch können sich äußere Umstände ändern und das Team muss sich neue formieren. Und last but not least – es arbeiten Menschen zusammen, deshalb treten in allen Phasen Konflikte auf, die es zu bereinigen gilt.
1. Forming – die Findungsphase
Alle sind höflich, tasten sich vorsichtig ab. Rollen und Ziele sind noch unklar. Es fehlt noch das Vertrauen und Wissen wird noch nicht geteilt. Die Führung sollte in dieser Phase vor allem Orientierung schaffen und den Rahmen setzen. Es geht weniger darum, schnell Ergebnisse zu erzielen, als darum, die Basis für gute Zusammenarbeit zu legen. Das Team benötigt erst einmal Sicherheit und muss gegenseitige Beziehungen aufbauen. Gutes Zuhören und das Klären von Erwartungshaltungen sind nun gefordert.
Ergebnis dieser Phase ist, dass sich die Teammitglieder kennen und einschätzen lernen.
2. Storming – die Konfliktphase
Spannungen und Meinungsverschiedenheiten treten offen zutage. Es geht um Positionierung: Wer setzt sich wie durch, welche Werte, Sichtweisen oder Arbeitsstile stehen im Raum? Konflikte sind in dieser Phase nicht das Problem, sondern Ausdruck notwendiger Auseinandersetzung.
In dieser Phase sollte die Führung die Konflikte sichtbar machen und moderieren. Das Unausgesprochene anzusprechen, hilft Spannungen in konstruktive Bahnen zu lenken. Dabei sollte man keine Partei ergreifen, denn Sie als Führung sind nicht Teil des Teams, sondern der Moderator. Machen Sie deutlich, dass Diversität im Denken eine Stärke ist. Initiieren Sie gemeinsame Gespräche über die Werte der einzelnen und des Teams. Legen Sie die Spielregeln für Zusammenarbeit und Kommunikation gemeinsam mit dem Team fest.
Ergebnis aus dieser Phase sind geklärte Rollen und wirklich gemeinsam ausgehandelte Spielregeln, die gelebt werden.
3. Norming – die Organisationsphase
Das Team findet zu einem stabileren Miteinander. Rollen, Abläufe und Regeln werden klarer. Vertrauen wächst. Die Energie, die bisher in Auseinandersetzungen geflossen ist, steht nun für gemeinsame Ziele zur Verfügung.
Die Gefahr ist, dass der Wunsch nach Harmonie dazu führt, dass Spannungen unterdrückt und Kritik vermieden wird. Rollen wirken geklärt, sind aber oft noch nicht stabil gelebt. Einzelne fühlen sich in ihrer Rolle nicht gesehen oder nicht passend eingesetzt. Wer sich zurückzieht, wird in dieser Phase leicht übersehen, weil alle froh sind, dass „es jetzt läuft“.
Als Führungskraft begleiten Sie den Übergang zu mehr Eigenverantwortung und Stabilität. Geben Sie Ihrem Team Raum, selbst zu gestalten und ziehen Sie sich als Macher ein Stück weit zurück. Unterstützen Sie, wo nötig, und würdigen Sie gemeinsam erreichte Fortschritte. Halten Sie Kontakt zu jedem Einzelnen und schaffen Räume für Feedback und Reflexion.
Ergebnis nach dieser Phase: Das Team hat gelernt mit Konflikten selbst umzugehen und Lösungen zu finden, Routinen und Abläufe sind entstanden.
4. Performing – die Leistungsphase
- Jetzt läuft es. Das Team ist arbeitsfähig und leistungsstark. Die Rollen greifen ineinander und Konflikte werden eigenständig gelöst. Der Fokus liegt auf der Aufgabe. Unterschiedliche Kompetenzen werden gezielt eingesetzt.
In der Performing-Phase droht Überforderung, wenn das Team dauerhaft auf Hochleistung läuft, ohne sich selbst zu regulieren. Weil das Team „funktioniert“, steigt der Anspruch. Es wird viel aufgeladen, ohne zu prüfen, ob Kapazität und Energie noch passen. Die Routine kann Stillstand zur Folge haben. Die Prozesse laufen stabil, aber Innovation bleibt auf der Strecke. Es fehlt Reibung, neue Impulse oder der kritische Blick von außen. Ein Wechsel im Team oder bei der Führung kann die Stabilität erschüttern. Das Team ist so gut eingespielt, dass Flexibilität verloren geht.
In der Perfoming-Phase verändert sich Ihre Rolle als Führungskraft noch einmal deutlich. Von der aktiven Steuerung hin zur gezielten Begleitung und Beobachtung. Halten Sie sich bewusst etwas zurück. Lassen Sie das Team Verantwortung übernehmen, auch wenn noch nicht alles perfekt läuft. Ihre Aufgabe ist nun, das Team vor unnötigen Störungen von außen zu schützen und dafür zu sorgen, dass Ressourcen, Zeit und Fokus erhalten bleiben. Ihre Rolle ist nun die des Visionärs: Erkennen Sie Entwicklungspotenziale bei Einzelnen und ermutigen Sie das Team den zu neuen Projekten und Perspektivwechseln. Wie soll sich das Team weiterentwickeln? Wie werden die Aufgaben der Abteilung in 5 Jahren aussehen und was braucht es sich dahin zu entwickeln?
Ergebnis dies Phase: das Team ist nicht mehr mit sich selbst beschäftigt, sondern konzentriert sich jetzt voll und ganz auf die Aufgabe und Leistung im Sinne der gemeinsamen Ziele.

5. Adjourning – die Auflösungsphase
1977 ergänzte Tuckman gemeinsam mit seiner Kollegin Mary Ann Jensen das Modell um die fünfte Phase Adjourning. Diese Phase beschreibt das Ende eines Teams. Sei es, weil ein Projekt abgeschlossen ist, ein Team aufgelöst wird oder Personen das Team verlassen. Diese Phase wird oft unterschätzt, ist aber emotional und kulturell besonders sensibel.
Für die Teammitglieder ist der Abschied kein rein sachlicher Vorgang. Beziehungen lösen sich und vertraute Strukturen verschwinden. Das kann Trauer und Unsicherheit auslösen. Auch lässt der Antrieb nach, wenn das Ende absehbar ist. Die Aufgaben werden nur noch „abgearbeitet“. Die Energie weicht oft einer Art innerem Rückzug. Oft wird die Leistung des Teams still beendet – ohne Anerkennung, Reflexion oder Abschiedskultur. Dadurch geht Lernpotenzial verloren und das Gefühl, wirklich etwas bewegt zu haben.
In Ihrer Rolle als Führungskraft begleiten Sie nun den bewussten Abschied. Ihre Aufgabe ist es, das Team nicht einfach auseinanderdriften zu lassen, sondern den Abschluss aktiv zu gestalten. Zeigen Sie Anerkennung und schaffen Sie Raum für Reflexion. Planen Sie einen klaren Übergang: „Was wurde erreicht? Was nehmen wir mit?“ Geben Sie Raum für gemischte Gefühle. Es darf Erleichterung, aber auch Wehmut geben. Ein einfaches: „Wie geht es euch damit, dass wir bald auseinandergehen?“ reicht oft schon. Würdigen Sie mit einer sehr persönlichen Ansprache den Beitrag jedes Einzelnen. Und unterstützen Sie beim nächsten Schritt: Wo geht es weiter? Wer braucht Orientierung? Bleiben Sie ansprechbar – auch nach dem offiziellen Ende.
Ergebnis dies Phase: Das Team geht mit großer Wertschätzung auseinander, kennt den weiteren Weg und bleibt auch nach der Trennung menschlich miteinander verbunden.
Was haben Rollen mit Teamarbeit zu tun?
Doch damit ein Team wirklich arbeitsfähig wird, braucht es mehr als gute Stimmung und Teambuilding. Es braucht Klarheit darüber, wer welche Verantwortung übernimmt. Nicht nur formal, sondern auch im täglichen Miteinander. Genau hier kommen Rollen ins Spiel. Sie machen sichtbar, was sonst oft zwischen den Zeilen steht: Erwartungen, Beiträge, Gestaltungsspielräume. Und sie geben Teams die nötige Struktur, ohne sie einzuengen. In modernen Organisationen reden wir immer häufiger von Rollen, nicht mehr nur von Funktionen oder Positionen. Das klingt zunächst nach Begriffsspielerei, hat aber einen entscheidenden Unterschied in der Wirkung: Rollen beschreiben Verhaltenserwartungen, nicht bloß Aufgaben oder Titel.
- Position meint den formalen Platz im Organigramm. Wer etwa Geschäftsführer ist, hat bestimmte Rechte und Pflichten, unabhängig davon, wie er sich verhält.
- Funktion beschreibt, welche fachliche Verantwortung jemand trägt, zum Beispiel „Leiterin Marketing“. Diese Funktion wird meist von außen vergeben.
- Rolle dagegen zeigt, wie jemand tatsächlich agiert. Sie kann dauerhaft oder situativ sein, formell oder informell, gewählt oder abgestimmt. Beispiele sind „Moderator“, „Coach“ oder „Fokuswächter“.
In agilen Arbeitsumfeldern helfen Rollen dabei, Führung zu verteilen. Sie machen sichtbar, wer wann Verantwortung übernimmt und wofür. Eine Rolle kann sich aus Erfahrung ergeben, aus dem Bedarf im Team oder schlicht daraus, dass jemand etwas besonders gut kann und es gern tut.
Teamrollen erkennen und bewusst einsetzen
Die Autorin Svenja Hofert hat eine hilfreiche Systematik entwickelt, um Rollen im Team besser zu fassen und nutzbar zu machen. Sie unterscheidet vier Typen:
- Laterale Führungsrollen, zum Beispiel Koordinator oder Impulsgeber, die unabhängig von Hierarchie wirken
- Meeting-Rollen, etwa Zeitnehmer, Visualisierer oder Regelwächter, die für Struktur und Klarheit in der Zusammenarbeit sorgen
- Tätigkeitsrollen, wie Moderator, Querdenker oder Umsetzer, je nach Aufgabe und Projektphase
- Präferenzrollen, wie „Perfektionist“ oder „Neuerer“, die auf individuellen Stärken und Persönlichkeitstypen beruhen. Instrumente wie INSIGHTS Discovery oder Belbin helfen hier, blinde Flecken und Potenziale zu erkennen
Rollen sind dann besonders wirksam, wenn sie bewusst vereinbart, regelmäßig reflektiert und situativ angepasst werden. Vielfalt im Rollenverständnis erhöht die Handlungsfähigkeit eines Teams und gibt Raum für Entwicklung. Wer zwischen Rollen flexibel wechseln kann, je nach Situation, trägt zur Entwicklung des gesamten Teams bei.
Welche Form von Teamarbeit brauchen wir?
Nicht jedes Team braucht dieselbe Art von Zusammenarbeit. Je nach Aufgabe, Ziel und Kontext variiert, wie eng Menschen kooperieren müssen. Svenja Hofert orientiert sich dabei am Modell von Joseph E. McGrath und unterscheidet vier Reifegrade:
- Team 1.0: Alle tun das Gleiche, echte Zusammenarbeit ist kaum notwendig
- Team 2.0: Es gibt Spezialisten, die sich untereinander abstimmen. Etwa in der Sachbearbeitung
- Team 3.0: Verschiedene Perspektiven und Fachrichtungen müssen in Projekten zusammengebracht werden. Kooperation wird erforderlich
- Team 4.0: Das Ergebnis entsteht nur gemeinsam. Es besteht eine hohe wechselseitige Abhängigkeit und es braucht echte Ko-Kreation und Kollaboration.
Je komplexer die Aufgabe, desto höher der Bedarf an bewusst gestalteter Zusammenarbeit. Innovation entsteht nicht durch Fachwissen allein. Sie brauchen gute Strukturen, ein bewusstes Miteinander – und die Fähigkeit, Verantwortung flexibel auf Rollen zu verteilen.
Was können Sie konkret tun?
- Übernehmen Sie im nächsten Meeting eine ungewohnte Rolle – z. B. Zeitnehmer oder Fokuswächter.
- Probieren Sie sich als Moderator: Strukturieren Sie ein Gespräch, ohne selbst inhaltlich zu dominieren.
- Sprechen Sie mit Ihrer Führungskraft über die Übernahme einer kleinen Projektleitung oder Teilverantwortung.
- Reflektieren Sie mit Kolleg:innen, wie Sie im Team wirken – und welche Rolle Ihnen (bewusst oder unbewusst) oft zufällt.
Manche Rollen passen auf Anhieb. Andere fordern heraus und fördern damit Entwicklung. Entscheidend ist, dass sie bewusst gelebt werden. Denn gute Teamarbeit ist keine Frage des Zufalls, sondern der Gestaltung.
Zum Weiterdenken
Wenn Teams Kultur gestalten
Teamarbeit ist mehr als eine Methode. Sie ist ein Ausdruck von Haltung. Wenn Teams wirklich zusammenarbeiten, mit klarer Verantwortung, gegenseitigem Vertrauen und Gestaltungsspielräumen, verändert sich etwas Grundlegendes: Die Kultur eines Unternehmens beginnt sich zu bewegen. Dort, wo Teams eigenverantwortlich handeln dürfen, entstehen nicht nur bessere Lösungen, sondern auch andere Gespräche, andere Entscheidungen und damit auch andere Lösungen. Ein Unternehmen, das funktionierende Teams ernst nimmt, verändert seine Kultur nicht über Leitbilder, sondern im täglichen Handeln. Es fördert Vertrauen statt Kontrolle, Entwicklung statt Absicherung und Orientierung statt Vorgabe. Es wird beweglicher, menschlicher und zugleich klarer in der Sache.
Zum Weiterlesen
- Bruce W. Tuckman & Mary Ann C. Jensen (1977): Stages of Small-Group Development Revisited. Group & Organization Studies, Vol. 2, No. 4
- Svenja Hofert (2021): Das agile Mindset – Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten. Haufe Verlag
- Meredith R. Belbin (2010): Team Roles at Work. Butterworth-Heinemann
- Joseph E. McGrath (1984): Groups: Interaction and Performance. Prentice Hall
- INSIGHTS Discovery®: Persönlichkeits- und Teamanalyse-Tool auf Basis von Carl Gustav Jung
www.insights.com/de - Patrick Lenicioni (2014): Die 5 Dysfunktionen eines Teams, Viley-VCH Verlag